Heimat und Singen

 

 

 

Wir finden schon nach Hause, so oder so, bis neun bist du ok, bei zehn erst k.o.“ (Songtext/ die Sterne) hörte ich als Jugendliche oft und es rührte mich irgendwie an. Sowohl das nach Hause kommen als auch die Hoffnung irgendwie ok zu sein..

 

Ich war mehr oder weniger gerade von zu Hause ausgezogen, hatte meine Heimat verlassen, war dabei meine eigenen Heimaten zu finden. Heimat war noch verknüpft mit dem Ort, an dem ich aufgewachsen war, der natürliche Gang der Dinge war, dass man von dort erstmal aufbrach, jedes Märchen, jeder Heldenmythos weiß das. Mir kommen Zimmerleute in den Sinn, die bewusst 3 Jahre von zu Hause fernbleiben müssen, Rituale von anderen Völkern, in den Jugendliche woanders ausgesetzt werden, weg von zu Hause. Es heisst, die Heimat prägt uns und ist in diesem Falle ein Ort, der bleibt, den wir verlassen können, an den wir zurückkehren können- im besten Fall.

Wo du weg willst wenn du älter wirst und zurück willst wenn du alt bist, das ist Heimat sagt ein deutsches Sprichwort, wir ziehen also aus, verlassen die Heimat; die fast lebenskreisförmige Bewegung von sich- entfernen uns zurückkehren wollen. Heimat ist erstmal der Ort, an denen uns das Leben hineinschmeißt, an dem wir aufwachsen, an dem wir die meisten Erinnerungen haben, an dem wir Sprache lernen, Familie und Freundschaft und unsere ersten Schritte. An dem wir jeden Baum kennen und jeder Baum uns. An dem wir irgendwann- entwicklungspsychologisch- idealtypisch- archetypisch an den Punkt kommen, von dem wir uns fast aus einer Langweile oder dem Wunsch nach Autonomie heraus entfernen können. Die Heimat bleibt dort, als sicherer Ort, als Ort an dem wir zurückkehren können. So das schöne Bild, das real oder zumindest oft gefühlt dann doch nicht so funktioniert.

 

Ich muss an die vielen Heimatverluste denken, an die Flüchtigengeschichten unser Grosselterngenerationen oder die aktuellen, an Immigranten, Auswanderer, Menschen, die ihr Glück suchen, und die, die den Zeitpunkt überhaupt nicht selbst gewählt haben. Menschen, die alleine gehen (müssen), die sich verlieren, die vertrieben werden, die mitgenommen werden, Menschen mit ganz konkreten Erinnerungen an ihre Heimat, welche mit diffusen Bildern oder auch nur mit dem grossen Nichts, dem grossen Loch, der grossen Sehnsucht.

 

Im Laufe des Lebens gibt es vielleicht neue Orte, die zur Heimat werden können, oder es können mehrere Orte Heimat sein, die Ursprungsheimat, die Wahlheimat, der Ort, an dem man sich spontan zu Hause fühlt, Orte, die wir uns zur Heimat machen können. Manchmal entfernen wir uns zu sehr, manchmal bleiben wir stecken im erdrückenden Konstrukt der Heimat. Es bleibt ein grosses Wort, ein grosses Gefühl. Letztenendes wollen wir ankommen, da sein, uns zu Hause fühlen.

 

Wenn wir Kinder sind, sorgt idealtypischer Weise jemand anders dafür, dass wir ankommen, uns zu Hause fühlen, eine Heimat haben, die uns selbstverständlich präsentiert wird. Und dann wird es noch komplexer; denn nicht alles, was wir als Heimat erleben ist vielleicht das "zu Hause" sein, das uns gut tun würde- es ist eben nur vertraut.

Wenn wir älter sind, werden, müssen wir selbst dafür sorgen und auch dafür sind wir mit unterschiedlich guten Werkzeugen ausgestattet. Manchem fällt es leicht, ein zu Hause, Heimaten zu schaffen oder auch nur bei sich Selbst anzukommen, so dass es sich heimisch anfühlt, für manche bleibt es lebenslang eine fast nicht zu schaffende Herausforderung. Natürlich hat dann Heimat auch mit den Menschen um uns herum zu tun, die unsere Heimat bedeuten, denen wir ein zu Hause bieten, und die uns helfen anzukommen.


Heimat ist kein Ort. Heimat ist ein Gefühl (Exler, Georg-Wilhelm)

auch das; und was bedeutet es dann? Vielleicht ein nach Hause kommen, ein Ankommen, ein „zu Hause“ sein, auch wenn wir gefühlt auf einem kargen, unbekannten Felsen sitzen. Ein „zu Hause“ Gefühl, dass unabhängig ist von unserem Ego, unserem Vorstellungen, die wir von uns selber und unserer Geschichte haben, ein tiefes, sich in sich selber zu Hause fühlen.

 

Beim Singen gibt es diese Momente, die ein Ankommen bedeuten; wo sich Körper, Geist und Seele zusammenschieben und plötzlich auf einer Linie sind, wo man plötzlich zu Hause ist. Auch das hat mehrere Dimensionen. Manche davon sind erklärbar, andere nicht.

 

Zum einen ist da unserer Körper, der plötzlich eins wird im Fühlen und Ausdruck, es gibt die „Autobahn“ nach innen, und gleichzeitig bringen wir etwas nach aussen. Wir verbinden uns mit unheimlich vielen Muskeln und öffnen uns im Gesicht, holen den Ton tief aus unserem Körper heraus und der Schall, den wir nach aussen bringen, stahlt zu uns zurück. Wir bekommen in dem Moment, wo wir etwas von uns weggeben etwas zurück. Das ist vielleicht auch so etwas wie ein zwischenmenschliches und interpsychisches zu Hause sein.

 

Zum anderen ist da die Aufmerksamkeit. In dem Moment wo wir singen, eventuell sogar noch mit anderen körperlichen Ausdrucksmitteln verstärkt, können wir nur im Moment sein. Es bringt uns ins „Hier und Jetzt“, in den Moment und weg von dem, was sein sollte, weg von der Vergangenheit und den Sehnsüchten in die Zukunft. Das ist vielleicht etwas wie ein zeitliches zu Hause sein.

 

Das Singen bringt uns in Gemeinschaft, ins Tun mit anderen, ins Tun mit uns selbst. Es gibt uns ein Gefühl von Sein, ein Gefühl von Sein mit Anderen, von Verbundensein, von in der Mitte von etwas sein, von gemeint sein. Das ist vielleicht etwas von gemeinschaftlichen zu Hause sein.

 

Und es gibt etwas im Singen, dass ich garnicht recht beschreiben kann. Es ist eine Art Rührung, eine Art Sehnsucht und Ahnung und da sein und sich auflösen gleichzeitig. Vielleicht würden es manche als spirituell bezeichnen, vielleicht ist es auch einfach der Moment, in dem das Ego mal Ruhe gibt und man- genau wir beim Gefühl der Heimat- das Gefühl hat: ich muss hier nichts tun. Der Kühlschrank ist voll, die Bäume drum herum kennen mich und ich bin sicher. Das ist vielleicht das Gefühl von bei mir selber zu Hause sein, das garnicht mehr an einem Ort gebunden ist.

Angekommen.


Been travelling a day
been travelling a year
been travelling a lifetime
to find my way home  2x

Home is where the heart is
Home is where the heart is
Home is where the heart is
My heart is with you

(songtext)